- Risiko und Risikobereitschaft
- Jürgen Herter
Werte schaffen, Werte bewahren - Gastbeitrag
„Kaufen! Verkaufen! Chancen nutzen! Nichts verpassen!" ....Der ereignisgetriebene Strom von Nachrichten und Werbebotschaften lenkt vom Wesentlichen ab: Das Finden und Umsetzen einer Anlagestrategie, die zum Kunden passt.
Wesentliche Elemente für eine erfolgreiche Vermögensanlage an den Kapitalmärkten sind eine globale ausgewogene Streuung, die Investition von Geldern, die zwischenzeitlich nicht für andere Zwecke benötigt werden und damit im Zusammenhang stehend ein ausreichend langer Anlagehorizont. Mit diesen Zutaten können Anleger Kapitalmarktkrisen aussitzen und profitieren vom langfristigen Wachstumspfad der Weltwirtschaft.
„Aussitzen“: Was sich einfach anhört, strapaziert viele Anleger und manche sind versucht, sich bei Wertrückgängen durch einen Verkauf unangenehmer Gefühle zu entledigen – auch wenn sie einen Verlust erleiden. Diese Negativerfahrung muss mental verdaut werden und steht einem Wiedereinstieg so lange im Weg, bis die Kurse so weit angestiegen sind, dass viele aufgrund des wieder gewonnenen Zutrauens dann teurer wieder kaufen. Diese typische Abfolge ist einer der größten Erfolgsverhinderer für Kaufkrafterhalt und Vermögensmehrung. Gute Beratung bedeutet, Anlegern diesen Themenpunkt fundiert darzulegen, damit sie eine gut informierte Entscheidung treffen können.
Da der Versuch, Rückgänge durch Markttiming zu umgehen, regelmäßig scheitert, braucht es ein gutes Vorgehen, um mit den Schwankungen zurechtzukommen.
Anders als bei den meisten an aufsichtsrechtlichen Anforderungen ausgerichteten Kurzfragebögen zur Risikobereitschaft werden Kunden durch die umfassenden Fragen des FinaMetrica-Profilers angeregt, sich sehr intensiv mit ihren Einstellungen, Urteilen und Erfahrungen mit Investitionen, Risiko und Ertrag auseinanderzusetzen. Beispielsweise werden sie gefragt, wie sie sich nach finanziellen Entscheidungen fühlen.
Anleger, die die Fragen beantwortet haben, kommen damit bereits gedanklich sehr gut vorbereitet in das Beratungsgespräch und haben ihre vergangenen Finanzentscheidungen präsent. Es ergeben sich facettenreichere, um emotionale und intuitive Aspekteerweiterte Gespräche zum finanziellen Entscheidungsverhalten und Erleben. Damit entsteht ein besseres Fundament für eine passgenaue Anlagestrategie und den Aufbau einer langfristigen Vertrauensbeziehung zum Berater – zum Nutzen beider.
Nach einer ersten Reflexion im Auswertungsgespräch werden bei der anschließenden Probefahrt über die Kapitalmärkte der vergangen 50 Jahre anhand rollierender historischer Werte Anstiege, Rückgänge, Erträge und damit zusammenhängende Zeitpunkte und Zeiträume anschaulich dargelegt und besprochen. Dies erlaubt dem Anleger mit seinem in der engeren Wahl stehenden Portfolio mögliche Szenarien gedanklich durchzuspielen und mit seinen Erfahrungen abzugleichen. Wenn ihm ein Wertrückgang in den nächsten zehn Jahren von beispielsweise einem Drittel zu hoch ist, wählt er bei Bedarf ein Portfolio mit etwas niedrigerer Ertragserwartung, bei dem zwischenzeitliche Rückgänge eher bei 25 % liegen werden.
„Ein so fundiertes und intensives Beratungsgespräch habe ich bisher noch nie erlebt.“
Kundin (56), 2024
Vor der abschließenden Strategieentscheidung kündigen unsere Berater an, dass sie dem Kunden keinen Ausstieg empfehlen werden, auch wenn das Portfolio gleich nach Investition von einem Kapitalmarktrückgang erfasst wird. Dies soll die Ernsthaftigkeit unterstreichen, wie wenig wir an Markttiming glauben und wie sehr wir davon überzeugt sind, dass „investiert sein und investiert bleiben“ der zuverlässigste Weg zum Vermögenswachstum ist und zwischenzeitliche Wertrückgänge damit untrennbar verbunden sind.
Gleichzeitig versichern wir unseren Anlegern, sie in guten sowie in schwierigeren Kapitalmarktzeiten persönlich nah zu begleiten. Darüber hinaus versorgen wir unsere Kundinnen und Kunden auch in wohldosierten Abständen mit unserer Einschätzung des Marktgeschehens in Form unseres Newsletters „Panorama“.
In der Beratung von Paaren hilft das Risikoprofiling besonders. Dadurch werden sonst unausgesprochene Unterschiede in der finanziellen Risikobereitschaft transparent und können bei der Entscheidung für eine Strategie berücksichtigt werden. Bei starken Unterschieden empfiehlt sich eine getrennte Anlage. Auch ist ein bewusster Kompromiss oftmals eine Lösung, die die Kunden dank der transparenten Gesprächsführung dann selbst finden. Das Kennen der Unterschiede hilft in weiterer Folge, insbesondere bei stärkeren Schwankungen, reflektiert und souverän zu handeln.
Auch bei Unternehmern hilft das Risikoprofiling nach unserer Erfahrung in der Bewusstseinsschärfung für die unterschiedlichen Risikograde, die mit dem unternehmerisch gebundenen Vermögen und mit dem davon idealerweise, losgelösten Privatvermögen eingegangen werden sollten. Häufig anzutreffen ist das Muster: Höheres Risiko im Unternehmen: „Werte schaffen“ und niedrigeres Risiko in der Vermögensanlage: „Werte bewahren.“
Wir haben diese Grundgedanken passgenauen Anlegens im Jahr 2016 in unserer Investmentphilosophie zusammengefasst. Die Erfahrungen aus der jahrelang geübten Integration des Risikoprofilings in den Beratungsprozess waren mitunter ein Impulsgeber für die Entwicklung der Philosophie. Andersherum ist das Risikoprofiling aus der Investmentphilosophie nicht mehr wegzudenken.